Ein Sommer mit Sauna am Fluss: Die Tage ähneln sich, und dennoch vergeht die Zeit im Flug
Der letzte Halt mit Supermarkt ist in Hamina, eine kleine Stadt in Südost-Finnland. Hier wird noch einmal ein Großeinkauf getätigt, dann geht es die letzten 40 Kilometer in Richtung Einsamkeit. Erst fahren wir noch auf der Europastraße, danach auf einer kleinen, kurvigen Landstraße – die mittendrin in eine Schotterpiste übergeht – und zuletzt geht es auf einem schmalen Feldweg Richtung Ziel: ein kleines Holzhaus , beige mit braunen Fenstern, auf einem sattgrünen Hang umgeben von Kiefern und Birken.
Für einige Tage bleibt der Alltag ausgeblendet. Keine Termine, kein Verkehrslärm und keine direkten Narchbarn. Das ist Luxus für die Seele. Luxus im klassischen Sinne bietet das Häuschen nicht. Der Herd hat nur zwei funktionierende Herdplatten, Kühlschrank und Kaffeemaschine sind die einzigen weiteren Elektrogeräte. Im Gegensatz zu unserer früheren Unterkunft gibt es aber immerhin fließend Wasser und eine Toilette. Das ist auch heute noch in vielen Sommerhäusern – auf Finnisch Mökki – nicht der Fall. Früher wurde das Trinkwasser aus einem Brunnen gekurbelt und musste in Eimern zum Haus geschleppt werden. Das Klo war ein 100 Meter entfernter Bretterverschlag von rustikaler Gemütlichkeit – ein Plumsklo. Aber genau das bietet eben den Abstand zum Alltag. Fast jeder noch so technikverliebte Finne ist insgeheim ein Naturbursche und flüchtet am Wochenende in sein Mökki.
Also machen wir es auch wie die Finnen: Wir rudern auf dem Fluss, angeln Hechte und Barsche, machen Feuer und grillen oder räuchern den Fang. Neben dem Fluss laden zahlreiche Seen in der Umgebung zum Schwimmen und Verweilen ein. Alternativ erkunden wir den Wald. Dort reifen Blaubeeren und Preiselbeeren, in sumpfigen Gebieten auch leckere Moltebeeren und Moosbeeren. Nach Regengüssen schießen Pfifferlinge, Birkenpilze und Rotkappen aus dem Boden. Zeit zum Schnippeln und Kochen gibt es hier genug, und so wird das Abendmenu mit den frischen Zutaten aus dem Fluss und Wald oft zum Tageshöhepunkt.
Die Krönung eines herrlichen Sommertages aber ist das Schwitzen in der Erdsauna am Ufer des Flusses mit fantastischem Blick auf das Wasser. Nicht selten saunieren wir über Mitternacht hinaus, denn richtig dunkel wird es auch hier in Süd-Ost-Finnland zur Sommerzeit nicht. Die Abenddämmerung geht fließend in die Morgendämmerung über. Fast jeden Abend beobachten wir, wie die Sonne die wenigen Wolken pink, orange und kaminrot färbt, und dann, begleitet vom Tanz der Mücken, gegen Mitternacht hinter dem Waldsaum verschwindet. Einen halben Kilometer weiter am Fluss hören wir die tanzenden Finnen aus dem Tanzschuppen, beschwingt und beschwipst. Die Tanzfläche ist immer voll und die Schritte sitzen perfekt, denn jeder Finne auf dem Land muss das Tanzen beherrschen wie das Fische-Räuchern oder den Umgang mit der Motorsäge. Doch irgendwann wird es wieder still, der Tango ist vorbei und die Finnen fahren nach hause.
Der nächste Tag bringt Sonne und Wolken, später Gewitter. Wieder ein Sommermenu, wieder einen Saunaabend – die Uhr tickt langsam, die Tage ähneln sich, und dennoch vergeht die Zeit wie im Flug. Der Abschied fällt schwer. Vom Feldweg geht es auf die Schotterpiste, von dort auf die Landstraße und zurück auf die Europastraße. Tanken in Hamina, dann nach Helsinki zur Fähre und über die Ostsee zurück in den Alltag.
Aber: Urlaub in Finnland hat eine Langzeitwirkung: Wenn ein Tag mal wieder hektisch war oder stressig, hilft ein einfaches Rezept: Augen schließen, an den Fluss, die Sauna und die Sonnenuntergänge denken.